Bildmaterial von Kindern veröffentlichen?
(Kinder)Pornoseiten im Darknet, Cybermobbing bei Jugendlichen, Social Engineering (u.A. Enkeltrick), Deep Fake und Identitätsvortäuschung - das sind einige zentrale Begriffe, die Ihnen dann bekannt sein sollten, wenn die Entscheidung getroffen wird, ob Bildmaterial von Kindern im Internet veröffentlicht werden sollte - oder besser nicht. Grundsätzlich gelten alle genannten Aspekte auch für Erwachsene. Die Welt ist im digitalen Umbruch und der Mensch muss sich an die Technologie anpassen, wie er sich vor tausenden jahren an die Natur angepasst hat.
Meine eigene Meinung lautet - generell Finger weg von Veröffentlichungen von Material was mehr zeigt als nur Sie selbst, besonders wenn Kinder zu sehen sind. Wir wissen heute nicht, ob das Material in der Zukunft für die von uns gezeigten Kinder Probleme bringt. Als verantwortungsvolle Person sollten wir unser Interesse etwas Schönes zu zeigen, nicht über das Wohl der Kinder stellen.
Die gesunde Alternative ist, Fotos und Videos nur im kleinen Kreis der Familie und engsten Freunde zu verwenden. Das grenzt das Risiko stark ein, auch wenn es immer möglich ist, dass Familienbande oder Freundschaften die Jahrzehnte nicht überdauern. Auf einer Webseite oder in sozialen Netzwerken und Gruppen mit vielen Privilegien - also da wo auch eine entfernte Bekanntschaft Zugriff auf die Veröffentlichungen hat, dorthin sollten keine so sensiblen Inhalte hochgeladen werden.
Welche Probleme durch eine Veröffentlichung auftreten können, das skizziere ich im Folgenden.
- Pornographie und Gewaltdarstellung
- Social Engineering - Enkeltrick und co.
- Cybermobbing
- Identitätsfälschung
- Abschlussplädoyer
Pornographie und Gewaltdarstellung im Darknet
Immer wieder landen freizügige Bilder auf Kinderpornoseiten im Darknet. Gerade wer freizügig mit Inhalten in sozialen Medien umgeht, dem kann es passieren, dass ein entfernter Bekannter Videos und Bilder findet und sie für verbotene Zwecke verwendet. Es muss nichteinmal ein Bekannter mit schlechten Absichten sein, auch ein gehackter Account von Gruppenmitgliedern kann schon ausreichen. Webseiten oder Dienste ohne Beschränkung der Gruppen sollten für private Zwecke nicht verwendet werden. Was als niedliche Aufnahme eines Kindes gedacht war, kann in den falschen Händen zu einer schweren emotionalen Last für junge Menschen und Umfeld werden. So schlimm der Gedanke ist, dass Fremde die Bilder der eigenen Kinder für ihre Zwecke missbrauchen, richtig gefährlich wird es erst wenn Erpressung und öffentliche Verunglimpfung ins Spiel kommen.
Hinsichtlich der Deepfake Technologie können Merkmale von Personen, also auch Kindern, auf andere Personen übertragen werden. Es ist also möglich (und nicht selten) dass gestohlene Gesichter auf Pornodarsteller übertragen werden. Aber nicht nur der gefälschte Sexakt ist ein Problem, auch gefälschte Gewaltdarstellungen können den Ruf und die Psyche der Opfer schädigen.
Und selbst wenn eine offizielle Stelle wie Lehrkräfte oder Vorgesetzte im Beruf von einer Fälschung sprechen. Wer solche Videos mit eigenen Augen gesehen hat, wird immer einen Zweifel in sich tragen, ob das Gesehene nicht doch echt war. Nur wer wirklich im Detail hinschaut - und das wünscht man sich wirklich nicht - hat eine Chance Fehler in der Szene zu finden. Fehler, die in der Zukunft durch optimierte Algorithmen immer seltener werden und irgendwann ganz verschwinden werden.
Social Engineering
Was ist social Engineering? Vereinfacht gesagt ist es quasi Hacking bei Menschen, statt im Programmcode. Das Ziel ist es aus wenigen Informationen durch geschickte Fragen mehr Informationen zu erhalten. Irgendwann später - wenn die Unterhaltungen längst wieder vergessen sind - kann dann z. B. der Enkeltrick folgen, oder es wird Dritten eine ausgeforschte Identität vorgespielt, um Kredite aufzunehmen, Waren zu bestellen oder anderweitig Schaden zu bewirken. Aus den Videos lassen sich persönliche Informationen gewinnen, die als Grundlage für weiteres Vorgehen dienen.
Häufig sagen Menschen: "mir passiert soetwas nicht". Dieser Satz zeugt leider jedoch von Selbstüberschätzung und Unverständnis der Mechanismen. Denn durch Gesprächsstrategien wird Druck erzeugt, so dass das Gehirn nicht gemütlich alle Möglichkeiten durchgeht. Selbst die abgebrühteste Person kann mal einen schlechten Tag haben und auf eine Geschichte hereinfallen. Das passiert insbesonders dann, wenn die Geschichten plausibel sind und man glaubt: "dass kann ja kein Fremder wissen". Dann ist die Chance besonders gut, auf eine Geschichte hereinfallen. Aber Fremde, die Monate oder jahrelang von Skripten Informationen sammeln liessen, die wissen vermeintlich reichlich über Sie und ihre Familie und Freunde. Zumindest genug um eine plausible Geschichte zu gestalten. Und falls Sie doch ruhig reagieren, erstmal einen Anruf tätigen und dann - zufälligerweise - plötzlich das Smartphone von Enkel oder Tochter gerade nicht erreichbar ist oder niemand dran geht, dann steigt die Plausibilität und der Druck weiter an. Bei vielen Menschen so stark, dass sie nicht die Polizei anrufen, damit diese Informationen liefert und prüft. Manchmal wissen Menschen auch dass sie betrogen werden könnten, aber die Sorge um die eigenen Liebsten bringt Sie dazu, das Risiko in Kauf zu nehmen. Ich verbalisiere einmal einige Gedanken die Betroffenen durch den Kopf gehen: "Was wäre, wenn das am Telefon kein Betrüger ist?", "Ich muss doch helfen" oder "Wenn ich nicht helfe, was passiert dann (schlimmes)?". Das kann mir nicht passieren? Das würde nichteinmal ich sagen, der gerade versucht Sie über das Problem aufzuklären.
Meine persönlichen Erfahrungen mit social Engineering
Persönlich habe ich auch meine Erfahrung mit Betrug, Scammails, vermeintlichen Microsoft und Europolanrufen und Trickanrufen gemacht und kenne neben der Theorie auch die Praxis. Bisher konnten mir alle davon nichts anhaben, weil kein Druck da war, ich die Situation gut überblickte und auch weil ich aus der Jugend die richtigen Erfahrungen gemacht hatte - sogesehen im nachhinein Danke Bundespolizei-Trojaner und mein unvorsichtiges jugendliches Ich. Man lernt zwar nie aus, aber manches bleibt lange hilfreich.
Erfolgsversprechender war ein Versuch von Verkaufsgesprächen an der Haustür von Telekom-Subunternehmern. Wieso ich das unter social Engineering einordne? Weil die Techniken aus dem gleichen Repertoire stammen und auch der Verkäufer nach Informationen im Gespräch sucht. Eventuell ist es auch kein Verkäufer sondern ein Betrüger? Solche Fälle habe ich auch schon erlebt, wo am Ende der Verdacht stand dass die Person nur zum Haustürgespräch gekommen ist, um einen besseren Blick zu erhalten, Einbrüche sind in der Umgegend schon mehrfach vorgekommen.
Der erste Verkäufer kam gar nicht erst auf unser Grundstück, da ich ihn an der Straße abfing und sagte es wäre alles in Ordnung. Der Mann bedankte sich und ging weiter. Sein Nachfolger ein Jahr später war hartnäckiger und er hatte noch einen Kollegen dabei. Der Verkäufer erhöhte zwischendurch z. B. das Sprechtempo, versuchte mit Informationen zu überfordern und erzeugte eine Druckbedingung: Ich könnte einen Glasfaserkabelanschluss vormerken lassen, aber die würden nach Bedarf vergeben. Wenn alle Anschlüsse gebucht würden, wäre "vorerst" keiner mehr zu haben. Das Ziel war es also, dass der Kunde eine schnelle Entscheidung treffen sollte, direkt an der Haustürschwelle: Wenn Sie jetzt nicht handeln ist es vielleicht zu spät - so die Botschaft.
Zwischendrin versuchte der Verkäufer nach Gründen zu fragen und Informationen zu mir und der Situation zu erhalten, um vielleicht doch noch mit seinem rhetorischen und psychologischen Repertoire, quasi wie beim Angeln, einen Haken setzen zu können. Aber ich ging sofort an dieses Gespräch mit dem Plan keine Informationen zuzulassen und sagte auch frei heraus, ich will nichts weiter dazu sagen. Da schaltete sich der Kollege ein, "ich verstehe das nicht, einfach aus Interesse können sie mir dies und jenes erklären?". Meine Antwort: Das werde ich nicht tun, Nein. Und kurz drauf ging der Kollege auch schonmal weiter. Auch beliebt ist es, wenn der Kollege mithilft: "Das ist doch für Sie ein gutes Angebot oder?". Da muss man eigentlich immer Nein sagen, oder echtes Interesse haben. Wofür braucht es eigentlich einen Kollegen? Da gibt es verschiedene Aspekte. Neben der Mithilfe und Bestärkung erhöhrt sich durch die zweite Person die räumliche Präsenz und das Potenzial zu überfordern. Denn zwei Personen im Blick zu halten ist eine höhere kognitive Leistung und das Ziel des Verkäufers kann sein, die kognitiven Ressourcen zu strapazieren um zur Überforderung beizutragen.
Als Zuhörer sollten wir immer dann besonders hellhörig werden, wenn bestimmte Botschaften mehrfach vorkommen, oder Phrasen oft wiederholt werden wie 'nach Bedarf vergeben' im geschilderten Fall. Natürlich muss die Druckbedingung wiederholt werden, damit der mögliche Kunde noch einen kleinen Schubs erhält. Meine Lösung war das Patentrezept gegen Haustürverkäufer: "Geben sie mir doch ihre Kontaktdaten, wenn ich Bedarf habe melde ich mich.". Das nimmt jeglichen Druck und ich habe Zeit nachzuforschen, gegenüber dem geringen Risiko, dass ich ein tolles Angebot verpasse.
Der Witz an dieser Verkaufssituation war, letzendlich gibt es bei uns Jahre später immernoch keine Glasfaserkabel in der Straße. Das Manöver war nur dafür da, Kunden zum Wechsel zur Telekom zu bewegen um das exklusive Angebot nutzen zu können. Dabei wurde bewusst unterschlagen, dass in unserer Region die meisten Telefonnetze der Telekom gehören und sie von allen anderen Anbietern genutzt werden - also so wie bisher.
Ich kann mir jedoch vorstellen, dass mein 15 Jahre jüngeres Ich oder andere Personen womöglich unterschrieben hätten. In der Situation war ich schon arg distanziert und habe mehr oder weniger lächelnd, aber im Kern abweisend, meine persönlichen Informationen geschützt: "Kein Kommentar". Die Situation war nicht angenehm, erstmal outet man sich selbst ungern als schroffe Person, aber das war nicht verkehrt und ich war schließlich nicht auf einer Party sondern in einem Verkaufsgespräch mit Fremden. Keiner - dem ich das nicht ausdrücklich erzählen will - muss Etwas über mich wissen, wenn ich mir überlege ob ich Etwas wirklich brauche! Und gerade weil es schon ziemliche Härte brauchte um mit der Situation umzugehen, will ich betonen, dass ich gute Umstände für den Umgang mit der Situation hatte. Hätte ich z.B. beruflichen Druck gutes Internet zu haben und ggf. kleinere Probleme mit dem Internet gehabt, so wäre der Reiz sofort zuzuschlagen größer gewesen.
Habe ich alles richtig gemacht? Schwierig zu sagen. Aber die nächsten Verkäufer werde ich sofort wegschicken, das spart 5-7min meiner Lebenszeit und erspart jegliches Risiko dass ich etwas falsches sage.
Im Normalfall sind Geschäfte mit Zeitdruck oder Angebotsdruck (nur noch 1 im Lager) keine gute Idee, dabei wird die Wahrheit zuweilen auch gebogen und wir sollten immer nachdenken ob wir uns nicht Zeit verschaffen können, z. b: auch durch Verzicht auf das tolle Angebot. Wenn wir dann Preise vergleichen und eines finden, was auch ohne Rabatt oder dank geringerer Versandkosten günstiger ist, vielleicht auch ein Alternativprodukt was uns besser passt, dann sind das Erfahrungen die helfen mit zukünftigen Drucksituationen distanziert umzugehen.
Deep Fake und Identitätsdiebstahl
Heutzutage lassen sich bereits Stimmen und Gesichter mit künstlicher Intelligenz klonen und als digitale Masken verwenden - Stichwort "Deep Fake". Und das schlimme ist, Deep Fakes lassen sich schon in wenigen Minuten erschaffen. Sicherlich sind die nicht perfekt, aber der Laie erkennt den Unterschied sowieso nicht. Zusätzlich gibt es Tricks um die Probleme zu verschleiern und in Zukunft werden die Probleme immer kleiner, bis Deep Fakes nahezu perfekt sind.
Es ist letztendlich möglich eine komplette Identität zu fälschen. Ein Anruf mit Ihrer Stimme und schon haben Sie eine Bestellung aufgegeben von der Sie erst in Zukunft erfahren werden. Je mehr Informationen über ein Individuum vorliegen, also auch Bilder von Kindheitstagen, desto sicherer gelingt es Dritte zu täuschen. Überall dort wo nicht die Authentifizierung über ein Ausweisdokument erforderlich ist, kann mit Deep Fakes großer Schaden angerichtet werden.
Sehr effektiv lässt sich Schaden dadurch anrichten, die Optik von anderen Personen zu nutzen, um sie auf Menschen beim Sexakt zu kopieren und Verweise zu solchen Videos zu verteilen. Selbstverständlich gelten alle diese Gründe auch bei Erwachsenen, doch Kinder und Jugendliche sind stärker emotional verwundbar und Ihnen fehlt Erfahrung, um mit Lügen, Bloßstellung, Anfeindungen, Ausgrenzung und Erpressung umgehen zu können. Wenn ersteinmal alle über die eigene Person gelacht haben oder Gerüchte im Umlauf sind, fällt es oft schwer den Ausgangszustand wieder herzustellen.
Cybermobbing
Nicht jede Veröffentlichung führt zu einem Problem von Cybermobbing. Primär als Ausgangspunkt sind Fälle, wo Kinder und Jugendliche selbst etwas von sich preisgeben und auf Plattformen hochladen. Die Hoffnung auf positive Rückmeldung wird immer wieder enttäuscht und ins Gegenteil verkehrt.
Mir persönlich ist das Risiko dennoch mittlerweile zu groß geworden. Ein hoher Anteil von Schüler*Innen hat bereits Erfahrungen als Opfer von Cybermobbing gemacht hat. Auch wenn statistisch nur wenige Veröffentlichungen als Startpunkt oder Verstärkung für Cybermobbing zu zählen sind, allein das Risiko sollte uns zögern lassen, ob wir ein solches Risiko - für Andere - eingehen wollen, nur um ein Video schöner und lebhafter zu gestalten. Dazu kommt, dass wir keinen Einfluss haben, wer das Material wann und wo nutzt oder speichert. Es sind längst nicht mehr nur Individuen die Daten sichten und speichern, sondern künstliche Intelligenzen, die Teilweise auf Vorrat Daten speichern und auswerten - Stichwort "Datamining". Und auch viele große Plattformen sind nicht frei von Fällen von Hacking und Datenverlust.
Heute haben wir bereits eine beachtliche Zahl an Opfern von Cybermobbing, da Kinder und Jugendliche viel Zeit im Internet verbringen. Eine Studie von Statista sagt aus, dass 18% der 2017 befragtet Schüler*Innen schon Opfer von Cybermobbing waren. Das deckt sich mit der Cyberlife III Studie vom Buendnis gegen Cybermobbing Das Ergebnis von Befragungen von Schülern zeigt einen Anstieg von 12,7% (2017) auf 17,3% (2021) und auch die Lehrer und Elternbefragungen stützen diese Werte. Und die Folgen sind, dass bereits viele junge Menschen seelisch schwer belastet sind und sogar Selbstmordgedanken hatten oder Alkohol und Tabletten konsumierten.
Selbst wenn Sie als Leser*In Cybermobbing nicht als Problem wahrnehmen, oder - um einmal Übertreibung als Stilmittel zu verwenden - gar der Stereotyp eines herzlosen Egoisten sind, vielleicht überzeugt es Sie wenn Sie sich fragen, wer Ihnen Ihre Rente zahlt? Tote und Geschädigte können das nicht. Unsere Welt wird digitaler und wir, als verantwortungsvolle Menschen, müssen uns mit den Problemen arrangieren und womöglich bestimmte Dinge aus dem Internet heraushalten - so wie vor 30 Jahren noch.
Schlussplädoyer
Kinder zu zeigen und zu sehen macht glücklich und zaubert ein Lächeln auf die Gesichter aller Eltern und derer die es noch werden wollen. Das kann auch so bleiben, wenn Sie eine Familiengruppe im sozialen Netzwerk eingerichtet haben, oder ein Nutzerkontosystem auf ihrer eigenen Webseite - hierzu kann ich Sie beraten. Wann immer soziale Medien oder Fremddienste mitspielen, empfehle ich die Rechtevergabe für Gruppen genau zu prüfen und auch die elendig langen Nutzungsbedingungen durchzulesen. Im Zweifelsfall würde ich von einer Veröffentlichung absehen. Es muss nicht die ganze Welt sehen wie toll ein Kind ist. Reicht es denn nicht aus, wenn die eigene Familie und Freunde und das erwachsen gewordene Kind daran Freude haben? Ich sage ja, auch damit das Lächeln nicht vergeht.